Immer mehr Kameras im öffentlichen Verkehr

Seit weit über 20 Jahren wird im Öffentlichen Verkehr mit Hilfe von Kameras überwacht - zu Sicherheitszwecken. Die SBB wollen neu auch das Verhalten der Reisenden erfassen - zur Steigerung der Umsätze in den Läden.

Im Jahr 2015 hatten die SBB in Zügen und Bahnhöfen 14,600 Kameras installiert, heute betreiben sie gemäss eigenen Angaben 24,400 Aufnahmegeräte, wie eine Recherche des SonntagsBlick ergab. Aber auch andere ÖV-Betriebe überwachen intensiv: Bei der BLS sind 2880 Kameras in Betrieb, bei den Verkehrsbetrieben Zürich 2688, bei der Südostbahn 1910 , bei der RhB 1723, bei den Basler Verkehrsbetrieben 1622 und bei Postauto rund 1200. Die Kameras von kleinen ÖV-Dienstleistern kommen noch dazu.

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Die Staatsanwaltschaften bedienen sich fleissig an den aufgezeichneten Bildern: Alleine die SBB müssen rund 200 Mal im Monat Material herausrücken. Pro Tag lassen sich somit Strafverfolger gesamthaft etwa 10 Videosequenzen aushändigen.

SBB wollen Fahrgäste ausspionieren

Am 3. Februar 2023 haben die SBB auf der Beschaffungsplattform für öffentliche Dienste, «simap.ch», ein «KundenFrequenzMessSystem KFMS 2.0» mit folgendem Zweck ausgeschrieben. «Ziel des Beschaffungsprojektes ist es, Daten zu beschaffen (Data as a Service), mit denen die Personenbewegungen (z.B. Frequenzdaten, Laufwege, etc.) an durch SBB Immobilien (SBB IM) betriebenen Standorten (Bahnhöfe und Anlageobjekte) analysiert und für verschiedene Anwendungen und Reports verwendet werden können.»

Unter anderem soll dieses System erkennen:

  • Alter, Geschlecht, Grösse, mitgeführtes Gepäck und Gegenstände wie Kinderwagen, Rollstuhl oder Velo

  • Auf welchem Weg Reisende durch den Bahnhof laufen (gemeint ist wohl gehen)

  • Wie lange sich Reisende im Bahnhof aufhalten

  • Das Kundenverhalten in Bahnhofsläden

  • Welche Läden von Passagieren besucht werden

  • Wie viel Geld die Passagiere am Bahnhof in Apotheken, Lebensmittelläden, an Kiosken etc. ausgeben

Wenn Alter und Geschlecht der Reisenden verdeckt ermittelt werden sollen, müssen wohl oder übel hochauflösende Kameras und Software zur Gesichtserkennung eingesetzt werden.

In der Fragestunde des Nationalrats vom 6. März 2023 hat Bundesrat Albert Rösti auf entsprechende Erkundigungen behauptet, dass die SBB ein System suchen, das ohne Videokameras auskomme. Wie das gehen soll, ist vorderhand ein Geheimnis von Alber Rösti und den SBB.

Bereits heute werden die Personenströme an 28 Standorten erfasst

Wenn jetzt ein «KundenFrequenzMessSystem KFMS 2.0» beschafft werden soll, wird es wohl bereits ein «KundenFrequenzMessSystem KFMS 1» geben. In der Tat rühmt sich die Berner LINKIN AG, die Gesamtprojektleitung für dieses Kundenfrequenzmesssystems übernommen zu haben: «Die SBB Immobilien konnte als Bewirtschafter der Verkaufs- und Kommerzflächen in den Bahnhöfen nicht auf entsprechende Kundenzahlen zur Plausibilisierung der Standortattraktivität zurückgreifen. Da die Mieterträge in starker Abhängigkeit zur Attraktivität eines Bahnhof stehen, entschied sich die SBB Immobilien dazu, in sämtlichen Grossbahnhöfen ein Kundenfrequenzmesssystem KFMS zu realisieren.» Die Messfühler dieses Systems sind … videobasierte 3D-Sensoren der Hersteller Brickstream und Xovis.

Im Bahnhof Basel SBB wurde ein derartiges System Im Jahr 2018 installiert. Angeblich, um mit einzelnen Massnahmen die Passagierströme auf der überlasteten Passerelle zu leiten.

SBB krebsen zurück

Am 13. März 2023 haben die SBB auf ihrer Webseite angekündigt, dass sie beim neuen Messsystem für Kundenfrequenzen auf Segmentierungen, d. h. Auflösung nach Alter, Geschlecht oder Grösse, verzichten wollen. Der Auftrag wird neu ausgeschrieben. Die Vergabe erfolgt damit voraussichtlich im ersten Quartal 2024 statt wie bisher geplant im Juni 2023. Das System wird voraussichtlich ab Anfang 2025 eingesetzt.

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