Die Sozialdetektive bleiben nun doch anonym

17. April 2019

Fabian Schäfer, NZZ

Vor der Abstimmung über Observationen stellte der Bundesrat ein öffentliches Register mit allen Sozialdetektiven in Aussicht. Nun krebst er zurück. Die bürgerlichen Sozialpolitiker verlangen noch weitere Korrekturen.

Die Debatte um verdeckte Observationen durch Sozialversicherungen beginnt von neuem. Letzten November hiess das Volk eine neue gesetzliche Grundlage gut, dank der vor allem die IV und die Suva wieder Detektive einsetzen können, wenn sie den Verdacht haben, dass jemand unrechtmässig Leistungen bezieht. Vor der Abstimmung wurde primär darüber gestritten, an welchen Orten mutmassliche Betrüger gefilmt werden dürfen. Nun geht es vor allem um die Frage, welche Anforderungen Sozialdetektive erfüllen müssen, um eine Bewilligung des Bundes zu erhalten.

Die Regeln dazu wird der Bundesrat in einer Verordnung festlegen. Deren Entwurf hat Sozialminister Alain Berset (sp.) bereits letzten Herbst veröffentlicht und in eine Vernehmlassung geschickt, damit man sich vor der Abstimmung «ein umfassendes Bild» machen könne.

Kritik von IV-Stellen und Kantonen

Nun dürfte dieses Bild anders ausfallen als geplant. Der Bundesrat hat die Verordnung noch nicht verabschiedet, doch dem Vernehmen nach plant das Departement Berset Änderungen. Das gilt auch für einen der auffälligsten Punkte: Der Entwurf sah vor, dass der Bund «ein öffentlich einsehbares Verzeichnis» führt, in dem alle zugelassenen Sozialdetektive namentlich aufgelistet sind.

Dieser Plan stiess in der Vernehmlassung auf massive Kritik. Vor allem die IV-Stellen, aber auch mehrere Kantonsregierungen sprachen sich dagegen aus. Aus ihrer Sicht würde es Sinn und Zweck verdeckter Observationen fundamental zuwiderlaufen, wenn öffentlich bekannt ist, wer diese durchführen kann. Das Innendepartement hat reagiert und die öffentliche Einsehbarkeit aus dem Entwurf entfernt.

Doch das genügt den bürgerlichen Sozialpolitikern nicht. Sie haben das Thema Anfang April in der Sozialkommission des Nationalrats mit Berset diskutiert und danach weitergehende Korrekturen verlangt. Auf das Verzeichnis wollen sie gleich ganz verzichten. Andernfalls sei zu befürchten, dass Anwälte oder Journalisten die Herausgabe der Liste mit Verweis auf das Öffentlichkeitsprinzip verlangten und diese publizieren würden, sagt SVP-Nationalrat Thomas Aeschi.

«Wenn die Detektive namentlich bekannt sind, sind keine wirkungsvollen Observationen mehr möglich.» Es komme ja auch niemandem in den Sinn, die Namen der verdeckten Ermittler der Polizei im Internet zu veröffentlichen. Aeschi warnt gar davor, dass die Detektive in Gefahr geraten könnten, wenn sie von überführten Betrügern heimgesucht würden.

Die SVP hegt ohnehin den Verdacht, der Bundesrat wolle die Reform im Nachhinein entschärfen. Berset verhätschle Sozialbetrüger, schimpft die Partei in einer Mitteilung. Worauf stützt sie diesen happigen Vorwurf? Aeschi argumentiert vor allem mit den hohen Anforderungen, die Sozialdetektive erfüllen müssten. Gemäss dem ursprünglichen Entwurf müssten sie eine Polizeischule oder eine gleichwertige Ausbildung absolviert haben. Zudem sollten sie einschlägige Erfahrungen mitbringen, wobei unklar sei, wie sie diese überhaupt sammeln könnten.

Regeln nur für externe Detektive

Noch in einem anderen Punkt schiesst Berset aus Sicht der SVP über das Ziel hinaus: Nicht nur externe, freischaffende Detektive müssten eine Bewilligung beim Bund beantragen, sondern auch jene, die bei einer Versicherung angestellt sind. «Das geht zu weit», findet Aeschi. Es sei unnötig, dass der Bund den Versicherungen hier Vorschriften mache. «Sie müssen selber die Verantwortung übernehmen, dass ihre Angestellten die Regeln einhalten.» Dieser Forderung hat sich auch die Sozialkommission des Nationalrats angeschlossen.

Ganz anders sieht es SP-Nationalrätin Silvia Schenker: Nicht Bundesrat Berset wolle das Gesetz im Nachhinein entschärfen, sondern die Bürgerlichen und die Versicherungen seien nicht mehr bereit, ihre Versprechungen aus dem Abstimmungskampf einzuhalten. «Damals wurde angekündigt, dass nur ausgewiesene Spezialisten observieren dürfen, und nun soll das für angestellte Detektive plötzlich nicht mehr gelten», kritisiert Schenker. Das sei nicht nachvollziehbar, alle Detektive brauchten dasselbe Know-how. Zudem sei das Vorgehen unredlich. Vor der Abstimmung habe niemand gesagt, die Verordnung müsse abgeschwächt werden.

Schenker weist auch das Argument zurück, die Verordnung bewirke unnötige Bürokratie. Im Abstimmungskampf sei immer argumentiert worden, Überwachungen seien lediglich Ultima Ratio und deshalb relativ selten. «Da sollte es zumutbar sein, dass die Versicherungen für ihre wenigen Detektive Bewilligungen einholen müssen.»

Wie die Verordnung am Ende ausfällt, entscheidet der Bundesrat. Die Forderungen der Sozialkommission sind blosse «Empfehlungen». Ihr Gewicht wäre grösser, wenn sich auch die Kommission des Ständerats angeschlossen hätte. Sie hat diese Woche aber darauf verzichtet, Empfehlungen abzugeben.

 

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