Deal um Geheimdienstchef Seiler

17. Juni 2014

Von Benjamin Gafner, Basler Zeitung

Das neue Nachrichtendienstgesetz hat im Parlament gute Chancen - unter Auflagen

Jetzt sei das neue Gesetz chancenlos. So reagierten Politiker und Beobachter letzte Woche spontan, nachdem die Affäre um den bekannten Walliser Weinhändler Dominique Giroud aufflog. In diese Affäre verstrickt ist nicht nur ein Auslandagent des Nachrichtendiensts (NDB), sondern zwei weitere vorübergehend Inhaftierte, die mit dem NDB verbunden sind. Trotzdem: Der Schluss erscheint voreilig, das Parlament werde das neue Nachrichtendienstgesetz nun versenken und damit namentlich den Geheimdienstlern neue Abhör- und Hackerbefugnisse verwehren. Dies zeigten gestern Gespräche mit Sicherheitspolitikern im Bundeshaus.

Sowohl im Ständerat als auch im Nationalrat gehen Involvierte davon aus, dass das Gesetz trotz der Affäre Giroud Bestand haben wird. «Man muss sich im Klaren darüber sein, dass ein menschliches Versagen immer möglich ist - selbst wenn die NDB-Mitarbeiter auf höchster Stufe sicherheitsüberprüft sind», sagt SVP-Ständerat Alex Kuprecht, der Präsident der sicherheitspolitischen Kommission. Dies aber dürfe kein Grund sein, ein Gesetz abzulehnen, das der Schweiz letztlich mehr Sicherheit bringt. Kuprecht erinnert daran, dass es dem Nachrichtendienst mit den heutigen Mitteln unmöglich ist, beispielsweise vorbereitende terroristische Aktivitäten zu erkennen. «Wir dürfen nicht länger taub und blind sein und Verdächtige nur dann beobachten können, wenn sie sich im öffentlichen Raum bewegen», ist Kuprecht überzeugt.

«Es gilt, Remedur zu schaffen»

FDP-Ständerätin Christine Egerszegi steht als Mitglied der Staatspolitischen Kommission ebenfalls hinter den neuen Befugnissen für Schweizer Spione. «Wir brauchen das neue Gesetz. Ich gehe davon aus, dass es überall schwarze Schafe gibt.» Unmissverständlich zu regeln seien deshalb Verantwortlichkeiten und Kontrollen. Egerszegi: «Wir haben die Absicht, den Nachrichtendienst zu festigen und daran werden wir sicher auch festhalten.»

Ähnlich tönt es aus dem Nationalrat: «Ich bin nicht bereit, das neue Nachrichtendienstgesetz aufgrund der Affäre Giroud zu beurteilen», sagt SVP-Sicherheitspolitiker Roland Borer. Man wolle ein Gesetz, damit der Nachrichtendienst zeitgemäss arbeiten könne. Die Affäre Giroud ist nach Auffassung Borers eine «personelle Sache des NDB, in der es gilt, Remedur zu schaffen». Dahinter steckten Fragen der Organisationsstruktur, der Aufsicht und Kontrollen sowie des Coachings der NDB-Mitarbeiter, die gelöst werden müssten.

Auch Chantal Galladé, die für die SP in der Sicherheitspolitischen Kommission sitzt, meint, «im Prinzip hat die Affäre gar keinen so grossen Einfluss auf das Gesetz». Es gehe um ein Dutzend Fälle im Jahr, bei denen ein begründeter Verdacht auf Terrorismus oder vergleichbar schwere Gefährdung bestehe. Galladé rechnet damit, dass das neue Gesetz nur dann eine Chance haben wird, wenn glaubwürdig aufgezeigt werden kann, wie eingeschränkt die neuen Befugnisse des NDB Anwendung finden und wenn ebenso glaubwürdige Bewilligungsverfahren und Kontrollen über den gesamten NDB garantiert sind.

Wechsel für Vertrauensförderung

Trotz der Mehrheitsmeinung im Bundeshaus, ein neues Nachrichtendienstgesetz sei nötig, zeigt sich, dass dieses heiss diskutierte Projekt kaum schlank durchs Parlament gehen wird. Über hundert Änderungs-, Ergänzungsund Korrekturanträge warten auf die vorberatende Kommission. Und informelle Gespräche mit anderen Politikern, die nicht zitiert werden wollen, zeigen, dass der Druck auf Nachrichtendienst-Chef Markus Seiler steigt.

Nicht nur in politisch linken Kreisen wird die Frage aufgeworfen, ob eine personelle Neubesetzung an der NDB-Spitze im Sinne einer vertrauensfördernden Massnahme für das neue NDB-Gesetz nicht angebracht wäre. Hinter den Kulissen wird von mehreren Kreisen der Deal angestrebt: Wir sagen Ja zum neuen NDB-Gesetz, sofern der umstrittene Geheimdienstchef Seiler dafür abtritt.

Im Westschweizer Radio zeigte Seiler zuletzt Verständnis für Kritik an seiner Person. «Die Verantwortung liegt bei mir», sagte er im Zusammenhang mit der Affäre Giroud. In Anspielung auf Äusserungen der Credit-Suisse-Spitze nach der Milliardenbusse in den USA sagte Seiler: «Ich bin nicht bei einer Grossbank und spreche von einer weissen Weste.» Zurzeit sehe er aber keinen Grund für einen Rücktritt. Vergleiche zwischen der aktuellen Affäre und dem Datendiebstahl beim NDB von 2012, bei dem wie im Fall Giroud eine externe Stelle auf die Unregelmässigkeiten hinwies, sind für Seiler unangebracht: «Die Fälle liegen völlig unterschiedlich.»

 

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