STAATSTROJANER (GOVWARE) und KABELAUFKLÄRUNG

27. Juni 2016

Simon Gantenbein, Digitale Gesellschaft

STAATSTROJANER (GOVWARE)

Mit dem Einsatz von Staatstrojanern soll es dem Nachrichtendienst erlaubt sein, in fremde Computer einzudringen und Überwachungssoftware zu installieren: Kamera und Mikrofon können angezapft werden, Computer aus der Ferne durchsucht und manipuliert resp. sabotiert werden.

Ein Trojaner nutzt Sicherheitslücken aus. Für bisher unbekannte Sicherheitslücken, sogenannte Zero-Day-Exploits, gibt es einen Schwarzmarkt. Durch den Kauf von Trojanern unterstützt der Staat diesen Schwarzmarkt und fördert damit das organisierte Verbrechen. Der Staat begibt sich auch in einen Interessenskonflikt: Wenn er die Schliessung von Sicherheitslücken anstrebt, gefährdet er damit den Einsatz des teuer gekauften Staatstrojaners: Sicherheitslücken bleiben bestehen, statt dass diese so schnell wie möglich gemeldet und geschlossen werden.

Trojaner werden von Firmen hergestellt, die in erster Linie Geschäfte machen wollen, mit wem scheint ihnen egal. Dieselben Hersteller, die auch die Schweiz beliefern, verkaufen ihre Schadenssoftware auch an nicht demokratisch geführte Staaten. Dass dort Personen u.a. mittels Trojanern von der Bildfläche verschwinden, scheint die hiesigen Behörden nicht zu stören. Ohne auf die Causa Mario Fehr einzugehen, zeigt dieser Fall beispielhaft auf, was es für den Staat bedeutet, mit solchen Firmen zu Geschäfte zu machen.

Ja, es gibt rechtliche Hürden beim Einsatz von Staatstrojanern, doch kontrollieren lassen sich solche Einsätze nur bedingt. Die Macht über Funktion und Umfang des Trojaners liegt beim Programmierer, nicht beim Staat. Unsere Behörden können ein noch so hehres Motiv haben - sie kaufen die Katze im Sack.

Ich möchte noch explizit den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ansprechen: Zur Entfaltung der Persönlichkeit gehört die Möglichkeit, Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen. Der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung ist nicht verhandelbar - der Zweck heiligt nicht die Mittel: Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat dazu eindeutig geurteilt: «Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist strikt und darf nicht durch Abwägung mit den Sicherheitsinteressen nach Massgabe des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes relativiert werden». Staatstrojaner müssen verboten werden, um die Grundrechte im digitalen Raum zu schützen - im Einklang mit der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

KABELAUFKLÄRUNG

Mit der Kabelaufklärung wird dem Nachrichtendienst erlaubt, «grenzüberschreitende Signale aus leitungsgebundenen Netzen zu erfassen». Kommunikationsdienste und Datenspeicher sind überall auf der Welt verteilt. Wenn wir kommunizieren, dann sind wir, durch den Aufbau des Internets bedingt, gezwungen über das Ausland zu komunizieren. Betroffen sind E-Mails, Telefongespräche, Nachrichten über WhatsApp, Facebook oder Suchanfragen, genauso wie Chats und Daten aller Art, beispielsweise auch in der Cloud. Durch die Kabelaufklärung werden grösstenteils Daten von unschuldigen Personen ausgewertet.

Die Begrenzung auf «grenzüberschreitende Signale» ist Augenwischerei.

Wir alle werden überwacht, nicht nur wenige Verdächtige. Das haben mittlerweile auch die Befürworter eingeräumt. Überwachung beginnt bereits mit dem Erfassen und automatisierten Auswerten von Informationen. Diese Form der verdachtsunabhängigen Massenüberwachung verletzt unsere Grundrechte eklatant. In der Bundesverfassung und in der Europäischen Menschenrechtskonvention sind unsere Freiheitsrechte verankert - das Nachrichtendienstgesetz verletzt diese klar.

Bereits heute verfügt die Schweiz über genügend rechtliche Mittel, um terroristische Aktivitäten, organisierte Kriminalität, Proliferation und verbotenen Nachrichtendienst durch die Bundesanwaltschaft und die kantonalen Polizeibehörden zu verfolgen - inklusive der jeweiligen Vorbereitungshandlungen. Statt mit Nachdruck für grundlegende Rechte einzustehen, baut die Schweiz mit dem Nachrichtendienstgesetz die massenhafte und verdachtsunabhängige Überwachung trotz fehlendem Wirksamkeitsnachweis aus.

Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist ein zentrales verfassungsrechtlich garantiertes Menschenrecht. Es ist ein wichtiges Element der demokratischen Kontrolle. Nehmen wir uns die Möglichkeit, uns frei und unbeobachtet auszudrücken, verlieren wir alle - als Individuen wie auch als Gesellschaft.

 

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