«Befragung» in Handschellen ist Freiheitsentzug

30. Januar 2014

Das Bundesgericht hat eine Beschwerde von drei Personen, die während der 1. Mai Demo 2011 von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden, gutgeheissen.

Nach den Feierlichkeiten zum 1. Mai 2011 in Zürich hatte sich eine grössere Menschenmenge versammelt. Um eine unbewilligte Nachdemonstration und mögliche Ausschreitungen zu verhindern, wurden die Anwesenden von der Polizei zunächst während zweieinhalb Stunden eingekesselt. Anschliessend wurden über 500 Personen gefesselt und ins Polizeikasernenareal überführt. Bei der Entlassung wurde ihnen ein Rayonverbot für 24 Stunden erteilt. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich und anschliessend das Zürcher Verwaltungsgericht kamen auf Beschwerde von drei Verhafteten zum Schluss, dass das polizeiliche Vorgehen nicht zu beanstanden sei.

Das Bundesgericht ist aber anderer Ansicht. Da von einem Freiheitsentzug auszugehen sei, hätte die Rechtmässigkeit der Polizeiaktion direkt und möglichst rasch von einem Gericht überprüft werden müssen. Zuständig in solchen Fällen ist das Zürcher Zwangsmassnahmengericht, das nun klären muss, ob mit den umstrittenen Polizeimassnahmen in unzulässiger Weise in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen wurde.

In seinem Urteil kommt das Bundesgericht zunächst zum Schluss, dass die Einkesselung für sich allein noch nicht die Intensität eines Freiheitsentzugs erreicht hat. Es liege lediglich eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit vor. Die folgende Überprüfung habe dann allerdings die Qualität eines Freiheitsentzugs erreicht. Entscheidend dafür seien die Dauer der Massnahme und die polizeiliche Behandlung mit Fesselung, Gefangenentransport und die Einsperrung in einer Zelle.

Im September 2009 erwog das Bundesgericht bei der Beurteilung der Beschwerde gegen das Zürcher Polizeigesetz, dass der Gewahrsam zwar nach 24 Stunden ohnehin aufgehoben werde, der Kontakt zum Haftrichter (jetzt Zwangsmassnahmerichter) aber jederzeit möglich sein müsse. Im Zürcher Polizeigesetz war dieser Kontakt nicht vorgesehen, was laut Urteil gegen die Bundesverfassung verstösst. «Für den Betroffenen, dem die Hände auf den Rücken gebunden sind, ist es aber wichtig, diese Möglichkeit zu haben, und dies jederzeit», betonte einer der Richter. «Es geht hier um das Vertrauen des Bürgers in den Staat». Genützt haben diese Worte wenig, wie das Beispiel vom 1. Mai 2011 zeigt.

 

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