Teure Überwachungen - Kantone sollen künftig Pauschale bezahlen

4. Januar 2019

Lukas Mäder, NZZ

Die Gebühren für Telefon- oder Internetüberwachungen sorgen immer wieder für Streit und Diskussionen zwischen den Kantonen und dem Bund. Dies soll sich ändern dank Pauschalbeiträgen.

Am Schluss führte der Streit um die Gebühren bis vor Bundesverwaltungsgericht. Der Kanton Aargau wollte die Rechnung des Bundes über 816,000 Franken nicht akzeptieren, die im Fall des Vierfachmords von Rupperswil für einen sogenannten Antennensuchlauf riesigen Ausmasses anfiel. Die Ermittler verlangten damals von vier Providern die Angaben aller Mobilfunkgeräte, die in einem Zeitraum von sieben Stunden auf fast 150 sogenannten Funkzellen im Umkreis des Tatorts aktiv waren. Das Bundesverwaltungsgericht kritisierte darauf die bestehende Gebührenordnung und senkte den Betrag auf rund 200,000 Franken. Der Bund akzeptierte das Urteil.

Immer wieder Diskussionen und Kritik

Solche Streitereien um Gebühren für Telefon- und Internetüberwachungen soll es künftig nicht mehr geben, wenn es nach dem Willen einer Arbeitsgruppe von Bund und Kantonen geht. Denn auch neben dem spektakulären Fall Rupperswil sorgen die Gebühren des Dienstes Überwachung Post- und Fernmeldewesen (Dienst ÜPF), der im Auftrag der Staatsanwaltschaften und Polizeien Überwachungen durchführt oder Auskünfte erteilt, immer wieder für Diskussionen und Kritik. Das ist keine gute Ausgangslage für die Zusammenarbeit, sind der Dienst ÜPF und die Ermittlungsbehörden doch eigentlich Partner in der Verbrechensbekämpfung.

Das heutige Gebührensystem ist ausserdem unglaublich bürokratisch. Der Aufwand zur Abrechnung ist enorm. 2017 hat der Dienst ÜPF insgesamt 9067 Rechnungen verschickt. Diese belaufen sich in den kleinsten Fällen auf 9 Franken - so hoch ist die Gebühr für die Abfrage einer einzelnen Telefonnummer in der Datenbank. Deshalb hatte der Bundesrat im November 2017 eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Diensts ÜPF einberufen, um Aufwand und Höhe der Gebühren zu überprüfen. Darin vertreten waren unter anderem die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK) und die Polizeikommandanten-Konferenz (KKPKS), die Internet- und Telefonanbieter sowie der Bund mit Bundesanwaltschaft und Nachrichtendienst.

Sofortmassnahmen noch 2019

Die Arbeitsgruppe schlägt nun eine Vereinfachung des heutigen Systems in zwei Schritten vor, wie Nils Güggi vom Dienst ÜPF sagt. Als kurzfristige Massnahmen sollen für einfache Datenbankabfragen à 9 Franken keine Gebühren mehr in Rechnung gestellt werden. Zudem werden Rechnungen elektronisch ausgestellt; noch 2019 soll der Bundesrat die entsprechende Verordnungsänderung vornehmen. Parallel dazu soll der Bundesrat den Artikel zu den Gebühren im Bundesgesetz über die Überwachung (Büpf) so anpassen, dass in einem zweiten Schritt grundlegende Änderungen am Gebührensystem möglich sind.

In diesem zweiten Schritt sollen pauschale Gebühren eingeführt werden. Jeder Kanton bezahlt nur noch einmal jährlich für die Überwachungen und Auskünfte. Wie viel ein Kanton bezahlen muss, ergibt sich aus einem Verteilschlüssel, der zum Beispiel aus dem Aufwand der letzten drei Jahre errechnet wird. Wer in dieser Zeit viele Überwachungen angeordnet und Auskünfte eingeholt hat, bezahlt künftig mehr. Je nach Entwicklung wäre dieser Verteilschlüssel wieder anzupassen.

Grosser Aufwand für Überwachungen

Ein solches neues Gebührensystem verursacht nicht nur weniger Aufwand, vor allem beim Dienst ÜPF. Es macht auch die Staatsanwaltschaften bei Ermittlungen zumindest teilweise unabhängiger von finanziellen Überlegungen. Künftig müssen sie nicht mehr berücksichtigen, welche Folgen die Gebühren jeder einzelnen Überwachung für das Jahresbudget haben. Dass es deswegen zu deutlich mehr Überwachungen kommen könnte, glaubt Güggi vom Dienst ÜPF nicht. «Die Auswertung der Daten ist sehr aufwendig, weshalb sich die Ermittlungsbehörden automatisch beschränken werden.»

Noch ist das neue Gebührensystem nicht beschlossen. Es wird nun von der Staatsanwälte-Konferenz sowie der Polizeikommandanten-Konferenz beraten. Danach müssen auch die politischen Instanzen zustimmen, was in den nächsten Monaten im Rahmen der Kantonalen Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) geschehen dürfte. Der Bundesrat wurde Mitte Dezember über den Vorschlag der Arbeitsgruppe informiert. Wenn die Kantone einverstanden sind, kann er die entsprechenden juristischen Anpassungen am Gebührensystem vornehmen beziehungsweise dem Parlament unterbreiten.

Hohe Kosten bleiben Thema

Doch auch mit Pauschalgebühren ist die Diskussion über die Kosten der Fernmeldeüberwachung noch nicht vom Tisch. Denn während die Kantone die hohen Kosten dafür ganz grundsätzlich kritisieren, möchte der Bundesrat sie eigentlich noch stärker zur Kasse bitten, um den Deckungsgrad des Dienstes ÜPF zu verbessern. Heute beträgt dieser gerade einmal 45 Prozent. Der Rest der Gesamtkosten von insgesamt 29 Millionen Franken jährlich für den Dienst bezahlt der Bund aus dem allgemeinen Budget.

Letztmals hatte der Bund die Gebühren auf Anfang März erhöht, als das neue Büpf in Kraft trat. Jedoch fiel die Erhöhung weniger stark aus als ursprünglich beabsichtigt - wegen der Kritik der Kantone. Kleine und finanzschwache Kantone könnten sich Überwachungen kaum mehr leisten und könnten künftig womöglich darauf verzichten, so die Argumentation. Deshalb soll nun eine Expertengruppe auch Transparenz schaffen über die Kosten beim Dienst ÜPF. Gleichzeitig hat sich die Eidgenössische Finanzkontrolle mit dem Thema beschäftigt. Sie wird ihren Bericht im Januar veröffentlichen.

 

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